Ich diskutiere nicht besonders gerne. Dafür fehlt mir das Intresse an und die Aufmerksamkeit für meine Mitmenschen. Zudem fühle ich mich oft un- und missverstanden. Manchmal denke ich aber auch einfach, dass wir grundsätzlich oder ich situativ zu wenig wissen um eine Meinung bilden zu können, oder dann müsste sie so differenzhiert sein, dass sich die Sache mit dem Missverstehen wieder vordrängt. Und wenn zu viele Emotionen im Spiel sind, dann leide ich richtig. Für unangemessene Lautstärke, Wirtwahl oder Tränen der Anderen schäme ch mich manchmal fast schon, meine eigene Kontollunfähigkeit macht mich wütend.
Dennoch bin ich mir bewusst, dass Debatten eine essenzielle Bedingung für eine freie, friedliche und respektvolle Gesellschaft sind. Es ist nicht wichtig, ob sich alle aktiv beteiligen oder überhaupt dafür interessieren. Wichtig ist aber, dass es echte Debatten sind. Weder Interessen noch Ängste noch Weltanschauungen müssen geteilt werden, aber es muss zu-, machmal vielleicht auch nur an-gehört werden. Die Wortwahl muss der jeweiligen Situation angepasst werden und man darf auch Verständnis betreffend Debattierungserfahrung, Betroffenheit und die Vorwissen der Mitmenschen erwarten. Eine Grenze ist sicherlich dann zu ziehen, wenn in der Debatte anstelle von Argumenten oder Appellen verbale Angriffe erfolgen. Als Grundsatz sollte stets klar sein, dass man eine Meinung, nicht aber eine Person be- oder gar verurteilt.
All dies wird heute aber entweder grad schon missachtet oder dann in Frage gestellt. Der Meinungskorridoer wird eingeengt und alles ausserhalb des Korridors zunehmend stumm geschaltet. Aussagen, dass man einem alten weissen Mann nicht zuhöre werden nicht auf schrfste verurteilt, bzw. wird zusätzlich der Mann verurteilt. Nicht für die Meinung die er nicht äussern durfte, sondern für sein alt und weiss und Mann-Sein. Bands oder Sängerinnen wird unangehört abgesagt. Nicht weil sie etwas geselschaftlich untragbares gesagt hätten, sondern weil sie eine nicht einheimische Frisur tragen oder aus einem Land stammen, dessen Präsident „uns“ nicht passt.
Das für mich nach wie vor etwas verwirrende an dem Ganzen ist, dass diese Handlungen von Menschen und Gruppierungen getragen werden, welche politisch Links stehen. Links stand für mich immer für (Rechts-)Gleichheit, (Meinungsäusserungs-)Freiheit, Toleranz, für soziale, den Menschen achtende, Werte. Das, was in den letzen Jahren von Menschen, welche ihr eigenes Denken und Handeln als (eher bis klar) links, einer sozialen Gesellschaft verpflichtet, sehen, geäussert wurde, und insbesondere was dahinter für Wertungen und Ansichten stehen müssen und Entwicklungen angestossen werden, ist für mich offensichtlich menschenverachtend. Da die Gleichheit aller Menschen negiert wird und jenen, welche sich nicht in den festgelegten Meinungskorridor begeben und auch noch kritik üben, die Daseinsberechtigung zuweilen ganz abgesprochen, darf man meines Erachtens schon von faschistischen Tendenzen sprechen.